Leben die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, sind zunächst die in der Ehe erwirtschafteten Zugewinne der Eheleute zu berechnen und gegenüber zu stellen. Der Zugewinn ist die Differenz zwischen dem Endvermögen (Vermögen am Tag der Zustellung des Scheidungsantrags) und dem Anfangsvermögen (Tag der Eheschließung). Der Ehegatte, der den höheren Zugewinn erzielt hat, hat an den anderen Ehegatten die Hälfte des Differenzbetrages zu zahlen, so dass beide Ehegatten mit dem gleichen Zugewinn aus der Ehe gehen. Darin besteht sehr verkürzt das Prinzip des Zugewinnausgleichs.
In die Berechnung des Anfangsvermögens und des Endvermögens ist jeder einzelne Vermögenswert – und zwar positiv (Aktiva) und negativ (Passiva / Schulden) – einzustellen. Dabei ist stets auf die Stichtage abzustellen, also auf die Vermögensmassen genau am Tag der Eheschließung und am Tag der Zustellung des Scheidungsantrags. Nun stellt sich die Frage, ob Steuererstattungen, die sich am Tag der Eheschließung noch nicht auf dem Konto befanden und Vorfälligkeitsentschädigungen, die erst nach der Zustellung des Scheidungsantrags gezahlt wurden, zu berücksichtigen sind.
In dem vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fall haben die Parteien am 31.12.2000 geheiratet und sich im August 2013 getrennt. Der Scheidungsantrag wurde am 30.1.2015 zugestellt. Für das Jahr 2000 erhielt der Ehemann eine Steuererstattung, allerdings erst nach dem 31.12.2000. Am 21.5.2015, also nach Zustellung des Scheidungsantrags zahlte der Ehemann für die Ablösung eines Kredits eine Vorfälligkeitsentschädigung.
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 8.12.2021 – XII ZB 402/20) ist eine entstandene Steuererstattung bzw. Steuerschuld zu berücksichtigen. Hier hat eine Berücksichtigung allerdings zu unterbleiben, weil der steuerliche Veranlagungszeitraum am 31.12.2000 noch nicht beendet war und der Anspruch auf Erstattung / Zahlung der Einkommensteuer erst nach Ablauf des Veranlagungszeitraums entsteht.
Bei der Vorfälligkeitsentschädigung gilt nichts anderes. Auch diese ist erst nach dem Stichtag angefallen. Die Vorfälligkeitsentschädigung ist nicht zu berücksichtigen. Zudem stellt die Entschädigung keinen Passivposten (entgegen dem noch offenen Darlehensbetrag) dar, sondern einen Ausgleich für die vorfällige Tilgung des Darlehens. Derartige Surrogate für von der Bank nicht „erzielbare“ Zinsforderungen sind nicht berücksichtigungswürdig.
Fazit:
Die Entscheidung ist zu begrüßen. Sie ist konsequent und richtig. Sie entspricht dem System des Zugewinnausgleichs und gibt dem Rechtsuchenden Klarheit.