Aus einer Beziehung des Antragstellers mit einer verheirateten Frau sind im Jahr 2005 Zwillinge hervorgegangen. Die Mutter lebt seit August 2005 wieder mit ihrem Ehemann, den Zwillingen und den gemeinsamen Kindern zusammen. Seit der Geburt der Zwillinge begehrt der Antragsteller und biologische Vater Umgang mit den Zwillingen. Dies lehnte die Mutter und ihr Ehemann wiederholt ab. Im Januar 2006 leitete der Antragsteller das erste Umgangsrechtsverfahren ein. Das Familiengericht ordnete Umgangskontakte an. Diese Entscheidung hob das Oberlandesgericht wieder auf, weil ein Umgangsrecht des biologischen Vaters, der nicht in einer sozial-familiären Beziehung zu den Kindern stehe oder gestanden habe, nicht vorgesehen sei. Die Verfassungsbeschwerde des Antragstellers blieb erfolglos.
Schließlich stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am 21.12.2010 fest, dass die Versagung jeglichen Umgangs ohne eine Prüfung der Frage, ob ein solcher Umgang dem Kindeswohl dienlich wäre, ein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention darstelle. Im März 2011 beantragte der Antragsteller erneut eine Umgangsregelung. Das Amtsgericht ordnete erneut einen Umgang an. Auf die Beschwerde der rechtlichen Eltern wies das Oberlandesgericht den Umgangsrechtsantrag zurück.
Der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 5.10.2016 – XII ZB 280/15) hat die Entscheidung des Oberlandesgerichts aufgehoben. Solange die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht – hier die Vaterschaft des Ehemanns, der die rechtliche Vaterschaft erlangt hat, weil er zum Zeitpunkt der Geburt der Zwillinge mit der Mutter verheiratet war – hat der biologische Vater, der ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat, gemäß § 1686a Abs. 1 Nr. 1 BGB ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn der Umgang dem Kindeswohl dient. Diese Neuregelung ist mit Wirkung vom 13. Juli 2013 in das BGB eingefügt worden, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die oben benannte Verletzung der Europäische Menschenrechtskonvention festgestellt hatte.
Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts auf unzureichenden Ermittlungen beruhe. Dies folge bereits daraus, dass die Eltern sich geweigert haben, die Kinder über ihre wahre Abstammung zu unterrichten, die Sachverständigen den Kindern deshalb vorgetäuscht haben, das Gutachten im Rahmen der Zwillingsforschung zu erstellen und die Gerichte die zum Zeitpunkt der Begutachtung bereits neun Jahre alten Kinder nicht angehört haben. Der BGH hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass nicht nur das Familiengrundrecht, sondern auch das geschützte Elternrecht, über die Information des Kindes hinsichtlich seiner wahren Abstammung zu bestimmen, grundsätzlich in den Fällen eingeschränkt ist, in denen der leibliche Vater ein Umgangsrecht nach § 1686a BGB begehrt.
Das Kind ist vor einer Anhörung bzw. einer etwaigen Begutachtung bei entsprechender Reife über seine wahre Abstammung zu unterrichten, sofern ein Umgang nicht bereits aus anderen, nicht unmittelbar das Kind betreffenden Gründen ausscheidet. Weigern sich die rechtlichen Eltern, dies selbst zu tun, steht es im Ermessen des Tatrichters, in welcher Art und Weise er für eine entsprechende Information des Kindes Sorge trägt. Ist einziger Grund für das Scheitern des Umgangs die ablehnende Haltung der rechtlichen Eltern und die damit einhergehende Befürchtung, dass diese mit einer Umgangsregelung psychisch überfordert wären und dadurch mittelbar das Kindeswohl beeinträchtigt wäre, sind zudem strenge Anforderungen an die entsprechenden Feststellungen zu stellen.
Der Beschluss des Bundesgerichtshofs ist die erste Entscheidung zum Umgangsrecht des biologischen Vaters nach der gesetzlichen Neuregelung. Mit dieser Entscheidung wurden die Rechte des biologischen Vaters weiter gestärkt.