Familiengericht darf auch gegen den Willen des anderen Elternteils ein Wechselmodell anordnen!

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Familiengericht darf Wechselmodell anordnen

Bundesgerichtshof: Familiengericht darf auch gegen den Willen des anderen Elternteils ein Wechselmodell anordnen!

Die Beteiligten sind die geschiedenen Eltern ihres im April 2003 geborenen Sohnes. Die Eltern sind gemeinsam sorgeberechtigt. Das Kind hält sich überwiegend bei der Mutter auf und wird von ihr versorgt und betreut. Im Mai 2012 vereinbarten die Eltern eine Umgangsregelung dahingehend, dass der Sohn den Vater alle zwei Wochen am Wochenende besucht. In dem hier gegenständlichen Verfahren begehrt der Vater die Anordnung einer Umgangsregelung in Form eines paritätischen Wechselmodells. Konkret möchte er den Sohn im wöchentlichen Turnus abwechselnd von Montag bis zum folgenden Montag zu sich nehmen. Das Amtsgericht hat den Antrag des Vaters zurückgewiesen. Auch dessen Beschwerde vor dem Oberlandesgericht führte nicht zum gewünschten Erfolg. Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts legte der Vater Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof ein.

Mit Erfolg! Der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 1.2.2017 – XII ZB 601/15) hat den Beschluss des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Begründend führt der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung aus, dass das Gesetz keine Beschränkung des Umgangsrechts dahingehend vorsieht, dass vom Gericht angeordnete Umgangskontakte nicht zu hälftigen Betreuungsanteilen der Eltern führen dürfen. Vielmehr ist vom Wortlaut des Gesetzes auch eine Betreuung des Kindes durch eine hälftige Aufteilung der Umgangszeiten auf die Eltern erfasst. Zugegebenermaßen orientiert sich die gesetzliche Regelung am sogenannten Residenzmodell, d.h. überwiegende Betreuung durch einen Elternteil bei Ausübung eines begrenzten Umgangsrechts durch den anderen Elternteil. Aber das bedeutet nur, dass der Gesetzgeber die praktisch häufigste Ausgestaltung des Umgangsrechts als tatsächlichen Ausgangspunkt für die Regelung gewählt hat und nicht, dass er damit das Residenzmodell als gesetzliches Leitbild installieren und andere Betreuungsmodelle dadurch ausschließen wollte. Auch gab der Bundesgerichtshof zu erkennen, dass selbst ein Streit über den Lebensmittelpunkt jedenfalls bei Bestehen des gemeinsamen Sorgerechts der Eltern nicht gegen die Anordnung eines Wechselmodells spricht. Vielmehr steht eine am Wechselmodell ausgerichtete Umgangsregelung mit dem gemeinsamen Sorgerecht im Einklang. Entscheidend für die Anordnung des Umgangsrechts ist grundsätzlich immer das Kindeswohl, das vom Familiengericht in jedem Einzelfall zu prüfen ist. Das Wechselmodell ist anzuordnen, wenn die geteilte Betreuung durch beide Eltern im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspricht. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass das Wechselmodell gegenüber den anderen Umgangsmodellen deutlich höhere Anforderungen sowohl an die Eltern als auch an das Kind stellt. Denn das Kind pendelt schließlich zwischen zwei Haushalten und hat sich auf zwei hauptsächliche Lebensumgebungen ein- und umzustellen. Darüber hinaus bedingt das Wechselmodell eine bestehende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern. Dagegen entspricht es dem Kindeswohl regelmäßig nicht, wenn ein Wechselmodell angeordnet wird, um die vorgenannten Voraussetzungen für ein Wechselmodell erst herbeizuführen. Sofern das Verhältnis der Eltern erheblich konfliktbelastet ist, entspricht ein Wechselmodell regelmäßig nicht dem Kindeswohl. Sehr wichtig ist ferner, der vom Kind geäußerte Wille, der mit zunehmenden Alter immer entscheidender wird.

Gemessen an diesen Voraussetzungen hat das Familiengericht umfassend zu klären, welche Form des Umgangs dem Kindeswohl am besten entspricht. Grundsätzlich ist es dazu erforderlich, auch das Kind persönlich anzuhören. Im vorliegenden Fall hatte das Oberlandesgericht eine persönliche Anhörung des Kindes nicht durchgeführt, weil es zu Unrecht davon ausgegangen war, dass eine auf ein Wechselmodell gerichtete Umgangsregelung nach der gesetzlichen Regelung nicht möglich sei. Aufgrund dessen ist das Verfahren zur Nachholung der Kindesanhörung und zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen worden.

Erfreulicherweise hat der Bundesgerichtshof nunmehr Grundsätze zur Anordnung eines Wechselmodells aufgestellt und damit erheblich zur Rechtssicherheit beigetragen.